Es ist wirklich unglaublich. 36 Jahre meines Lebens habe ich niemanden wirklich angebrüllt. Klar war ich wütend, auch mal mega-genervt, natürlich bin ich auch mal laut(er) geworden. Aber richtig gebrüllt habe ich nie. Und ich hätte mir auch nie vorstellen können, dass sich das irgendwann ändert. Warum auch? Und dann - dann wurde ich Mama. Und es ist unglaublich, aber: Meine Kinder können mich so wütend machen wie niemand sonst.Eigentlich habe ich mich immer als relativ friedlichen Menschen gesehen. Harmonie war und ist mir wirklich wichtig, und wenn ich mich mal aufrege, beruhige ich mich in den allermeisten Fälle auch genauso schnell wieder. Natürlich heißt das nicht, dass ich mich nicht ärgere oder mal sauer werde. Aber dass ich wirklich mal jemanden anbrülle? Hätte ich nie gedacht. Und ehrlich wäre es mir auch deutlich lieber, wenn ich damit richtig gelegen hätte. Habe ich aber (leider) nicht.
Wer kleine Kinder hat, kennt das vermutlich: So liebenswert und toll und niedlich sie auch sind - so bockig können sie auch sein. Als die Motte mit ihren ersten Trotzanfällen startete, fand ich es zwar teilweise anstrengend, aber "tief duchatmen" hat eigentlich immer geholfen. Ist ja auch nur eine Phase und hoffentlich bald vorbei. Ähm...ja.
"Es ist alles nur eine Phase"
Inzwischen hält die Phase seit gefühlten 2 Jahren an - und wird dabei eher schlimmer als besser. Natürlich gibt es zwischendurch auch entspannte Zeiten. Zwischen 20:30 Uhr und 7 Uhr, wenn sie schläft. Nein, Quatsch 🙂 Natürlich ist es nicht durchgehend anstrengend, aber wenn die Phasen wieder losgehen, bringt sie mich im Moment in regelmäßigen Abständen an meine Grenzen - und manchmal leider darüber hinaus.
Das mag auch daran liegen, dass der kleine Bruder gerade aufholt, und die Trotzphase ihm scheinbar relativ großen Spaß macht. Zusammen hecken die beiden einiges aus. Was super ist! Denn sie verstehen sich wirklich prima. Spielen, lacheln, kuscheln, trösten sich, verwüsten die Wohnung und sorgen für Chaos. Genauso, wie es bei kleinen Kindern sein soll. Aber wenn die große Schwester sich kreischend auf den Boden wirft, weil sie kurz vor dem Abendbrot keine Schokolade bekommt, und parallel der kleine Bruder auf dem Wickeltisch durchdreht, weil er keine neue Windel möchte, während im Hintergrund die 78. Wiederholung von "Hej Pippi Langstrumpf" dudelt - dann nagt das schon sehr an meinem Geduldsfaden.
Das leise Weinen wird zu schrillem Kreischen
Oder wir sind morgens endlich mal pünktlich - was selten genug vorkommt - und dann fällt der Motte aus heiterem Himmel ein, dass "die doofen Schuhe" plötzlich drücken, der Pulli über Nacht zu klein geworden ist, und sie keine Socken hat, die ihr gefallen. Und ohne Socken kann sie auch keine Zähne putzen. So!
Auf meine Einwände, dass sie Sachen doch gestern alle noch prima waren, fängt die kleine Oberlippe verdächtig an zu zucken. Sekunden später bricht die Motte in Tränen aus, und innerhalb der nächsten Minute steigert sich das leise Weinen zu schrillem und vor allem lauten Kreischen. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass wir nicht rechtzeitig los kommen. Es ist schon so weit gegangen, dass ich sie ohne Jacke, Mütze und Schuhe ins Auto getragen habe - an den entsetzten Blicken der kopfschüttelnden Nachbarn vorbei. Aber natürlich lässt sie sich dann auch nicht in den Kindersitz setzen, geschweige denn anschnallen.
Alles, was Mama tut, ist falsch - oder nicht genug
Kann mir bitte jemand erklären, was im Kopf einer 4 1/2-Jährigen manchmal vor sich geht? Vermutlich soviel, dass sie es selbst nicht versteht und erst recht nicht weiß, wie sie das Chaos sortieren soll. Das ist mir schon klar, und oft hilft es mir dabei, ruhig zu bleiben - und ihr hilft eine Umarmung. Aber eben nicht immer. Wenn alles, was ich tue, entweder das Falsche ist oder nie genug, ich auf der anderen Seite aber das Gefühl habe, dass ich zu nichts komme, und mich keine 5 Minuten in Ruhe hinsetzen kann - dann explodiere ich irgendwann. Dann ist das bockige "gar nicht" das Fünkchen zuviel, oder das provozierend gesungene "nänänanänänäää" der Tropfen, der Mamas Nerven zum Überlaufen bringt.
Und leider ist es inzwischen soweit, dass eine gewisse Grundgereiztheit bei mir eingesetzt hat, und schon der kleinste Anflug von Theater mich wirklich auf die Palme bringen kann.
Dass ich so laut werde, erschreckt mich
Als ich zum ersten Mal wirklich gebrüllt habe - und ich rede nicht von "ein bisschen lauter werden", sondern von Schreien - habe ich mich selbst glaube ich am meisten erschrocken. Wie konnte das nur passieren? Wie konnte ich (als Erwachsene) nur mein kleines Kind (bzw. meine Kinder) anschreien? Sofort hatte ich all die Artikel im Kopf über die Folgen des Anschreiens. Ein unglaublich schlechtes Gewissen. Und die Stimmen der Mütter, denen sowas "niemals" passieren würde. Aber ganz ehrlich? Inzwischen glaube ich das fast niemandem mehr. Ich kann nicht glauben, dass jemand als Mama durchgehend gelassen ist und sich niemals richtig aufregt. Wenn ich falsch liege, ist das toll! Aber sehr realistisch finde ich es nicht.
Manchmal müssen Gefühle einfach raus - auch die von Mama
Das heißt natürlich nicht, dass ich es gut finde, seine Kinder anzuschreien. Ich bin auch nicht stolz darauf, dass es mir von Zeit zu Zeit passiert. Ganz im Gegenteil. Und ja, ich habe nach wie vor jedes Mal ein schlechtes Gewissen. Aber manchmal hilft eben alles nichts - und dann explodiere ich einfach. Und vielleicht müssen Kinder auch das lernen. Natürlich nicht, dass man manchmal angeschrieen wird. Aber dass Gefühle manchmal einfach raus müssen - auch bei Mama. Wichtig finde ich, dass man hinterher mit den Zwergen spricht und sich vor allem auch entschuldigt.
"Niemand kann einen so wütend machen, wie diejenigen, die man am meisten liebt."
Habe ich mal irgendwo gelesen, und da ist definitiv was Wahres dran. Aber warum ist das so? Vielleicht, weil diejenigen, die einem am meisten bedeuten, einen eben auch am leichtesten verletzen können. Nicht, dass Kinder das mit Absicht tun, ganz sicher nicht. Aber wenn man sich als Mama wirklich anstrengt, damit alles gut läuft, und dann nur eine patzige Antwort, ein bockiges Gesicht oder ein "mir doch egal" ernet - dann fühlt sich das nicht gerade gut an, oder?
Wenn der Tag schon gehetzt startet...
Meine Dünnhäutigkeit liegt ja auch nicht nur an der Kombination der Launen der Motte und der Trotzphase des kleinen Bruders. Es ist viel mehr das Gefühl, fast die ganze Zeit durch die Gegend zu hetzen, und im Endeffekt nichts und niemandem wirklich gerecht zu werden. Morgens schnell, schnell, damit ich nicht noch später zur Arbeit komme, als ich es eh schon tue. Früher aufstehen hilft leider nichts, haben wir alles schon probiert. Irgendwo zwischen 8 und halb 9 gibt es scheinbar entweder ein Zeitloch - oder besondere Schwingungen, die jede Bewegung extrem verlangsamen. Dabei hasse ich es, die Zwerge morgens zu hetzen. Aber es nützt ja leider nichts, wenn wir nicht erst zum Mittagessen in der Kita aufschlagen wollen.
Schnell, schnell durch den Tag - und bloß nichts vergessen
Dann arbeiten, die Kinder wieder abholen und entweder zusammen zum Turnen oder Singen fahren (schnell, schnell, damit wir es auch schaffen), einkaufen oder zuhause spielen, bis es Zeit für das Abendbrot ist. Inzwischen spielen sie zum Glück auch mal eine Weile zu zweit. Aber häufig komme ich trotzdem nicht dazu, wirklich etwas zu erledigen, geschweige denn, mal ohne Dauerbeschallung zu telefonieren. Nach dem Essen dann beide umziehen, Zähne putzen (mal mit mehr, mal mit weniger Theater), Bücher vorlesen und warten, bis sie eingeschlafen sind.
Dazu kommen die ganzen Dinge, an die ich tagsüber denken muss. Arzttermine machen, die richtigen Sachen für die Kita einpacken, Überweisungen erledigen, Einkaufszettel schreiben, Geburtstage nicht vergessen, Sachen fürs Turnen bzw. Singen mitnehmen, zwei Adventskalender vorbereiten, an den Spielzeugtag in der Kita denken, neue Winterschuhe (und Klamotten) für die Kinder bestellen, natürlich auch die Wechselklamotten für die Kita nicht vergessen, einkaufen, zwischendurch noch ein neues Auto suchen usw. Klingt alles für sich nicht dramatisch, oder? Aber zusammen mit dem Gefühl, ständig gehetzt zu sein und trotzdem nichts zu 100 % geregelt zu bekommen, wirklich anstrengend.
Wenn die Kinder schlafen, habe ich Zeit. Eigentlich
Dazu kommt, dass ein bisschen der Ausgleich fehlt. Eigentlich ist mein Plan, wieder aufzustehen, wenn die Kinder schlafen - oder zumindest am Rechner noch ein paar Sachen zu erledigen, ein bisschen zu bloggen (klappt super, wie man in den letzten Monaten gesehen hat *Ironieoff*) oder fernzusehen. In den meisten Fällen wache ich allerdings irgendwann mitten in der Nacht neben einem (oder beiden) schnarchenden Kind(ern) wieder auf. Und habe dann natürlich auch keine Lust mehr, wieder aufzustehen. Seit Monaten habe ich mir vorgenommen, mich endlich beim Sport anzumelden. Passiert ist bisher - nichts.
Mein Vorsatz fürs neue Jahr: entspannter bleiben
Dabei ist der meiste Stress ja eigentlich selbstgemacht, wenn ich ehrlich bin. Denn was wäre schlimm daran, 5 Minuten später in der Kita zu sein (wenn es denn bei 5 Minuten bleibt)? Welche Überweisung kann nicht auch bis morgen warten? Und wenn wir den Einkauf nicht schaffen - haben wir eben diesmal keinen Frischkäse zum Abendbrot. Trotzdem habe ich ständig den Gedanken im Hinterkopf, dass so viel erledigt werden muss bzw. nicht vergessen werden darf, und ich nichts davon richtig schaffe. Kennt ihr das auch? Woran liegt das bloß - und warum kann ich es nicht abstellen?
Vielleicht ist das schon jetzt einer meiner Vorsätze für dieses Jahr: Zu versuchen, ein bisschen entspannter durchs Leben zu gehen. Nicht so schnell zu explodieren, sondern öfter mal tief durchzuatmen. Und mir endlich den passenden Sportkurs zu suchen.