Springe zum Inhalt

Lieber Papi.

Papi Klaus Schenk
Strahlender Papi auf dem Flohmarkt

Zehn Jahre ist es her, dass ich zum letzten Mal mit Dir gesprochen habe. Am Telefon. Nur ein paar Minuten lang, weil Du so erschöpft warst. "Ich lege jetzt auf, ja?", hast Du gesagt, und ich habe geantwortet, dass wir uns morgen ja sehen. Hätte ich gewusst, dass das nicht so ist – Papi, ich hätte mich sofort ins Auto gesetzt und wäre zu Dir gefahren. Habe ich aber nicht. Stattdessen hatte ich am nächsten Morgen auf dem Weg ins Büro plötzlich eine Nachricht auf der Mailbox. Weil mein Handy dank O2 genau in dem Moment keinen Empfang hatte, als ich es einmal dringend gebraucht hätte. Und obwohl ich mich sofort ins Taxi gesetzt habe und ins Krankenhaus gefahren bin, habe ich es nicht mehr rechtzeitig geschafft.

Zehn Jahre: wie gestern und doch eine Ewigkeit.

Jedes Jahr an diesem Tag geht mir alles wieder durch den Kopf. Und jedes Jahr kann ich nicht glauben, dass es schon so lange her ist. Denn einerseits erinnere ich mich an jedes Detail, als wäre es gestern gewesen. Aber andererseits bist du auch einfach schon so lange nicht mehr da. "Es wird besser", haben alle gesagt. Ich würde eher sagen, es wird anders. Die Momente, in denen man traurig ist, werden seltener, die Erinnerungen, über die man sich freut, werden mehr. Und trotzdem fehlst Du bei so vielen Dingen und Erlebnissen – und das wird sich auch nicht ändern.

"Lene kennt Opa nicht."

Sagt die kleine Motte, wenn sie auf das Bild zeigt, das bei uns im Flur hängt. Von Mami, Dir und mir bei Eurem letzten Urlaub in Dänemark. Dass Du ihr Opa warst, habe ich ihr erzählt – und wenn sie älter ist und es versteht, kann sie mich alles fragen. Früher habe ich mir immer ausgemalt, wie es wohl ist, wenn ich mal Kinder habe. Wie der Opa sie stolz durch die Gegend trägt und ganz viele Sachen für sie bastelt. Dass sie Dich nicht kennenlernen werden, kam in meinen Gedanken nie vor.

Lene, so war Dein Opa.

Deshalb werde ich der kleinen Motte irgendwann von ihrem Opa erzählen. Wo ich anfangen soll, weiß ich noch nicht. Vielleicht mit ein paar Fotos, die Dein verschmitztes Lächeln zeigen, bei dem die Augen immer mitgelacht haben. Denn wenn ich an meinen Papa denke, sehe ich automatisch das gutmütige Gesicht mit den lachenden Augen vor mir. "Meine Kleene" hast Du immer gesagt, und mich gedrückt. Ich könnte von Deiner Eigenschaft erzählen, gern alles zu organisieren und sich zu kümmern – was manchmal leider auch ausgenutzt wurde. Man konnte sich einfach immer auf Dich verlassen. Und ich konnte sicher sein, wenn ich eine Frage oder ein Problem hatte, hatte Papi einen Tipp oder eine Lösung auf Lager.

Und bewundert habe ich Deine Eigenschaft, einfach so auf Leute zuzugehen. Ganz egal, ob es völlig Fremde waren oder nicht. Ein, zwei lockere Sprüche, und das Eis war in den meisten Fällen gebrochen. Zwar gab es auch Situationen, in denen Deine Sprüche nicht wirklich gut angekommen sind, aber was soll's? Da gibt es doch deutlich Schlimmeres.

Fotografie- und Dänemark-Fan.

Ganz sicher erzähle ich ihr von Deiner Leidenschaft fürs Basteln, die mir zum Beispiel ein tolles Hochbett und Mami ihren einzigartigen Schubladenschrank beschert hat. Von Deiner Begeisterung für ausgiebige Flohmarktgänge, der Suche nach noch fehlenden Siku-Autos – und Deiner Liebe zum Hafen.

Und dass ich mich so für Fotografie begeistern kann, kommt ja auch nicht von irgendwoher. Da hat der Opa mit seiner analogen Canon, den vielen Objektiven und Filtern einen großen Anteil dran. Und wenn ich sehe, wie die Motte schon heute begeistert auf den Auslöser drückt,  wünsche ich mir manchmal, dass Du es sehen könntest.

Erwähnen werde ich auch Deine dreckige Lache, die ich aus 100ern herausgehört hätte weil ich einfach immer selbst mitlachen musste. Und die scheinbar auch ein bisschen in der Familie liegt. Genau wie die Begeisterung für Urlaube am Meer. Ich weiß gar nicht, wie oft wir in Marielyst waren. Oder alternativ an der Nordsee. Aber Deine glänzenden Augen beim Steine- oder Bernsteinsuchen, auch dann noch, wenn Mami und ich irgendwann schon komplett erledigt waren – an die erinnere ich mich noch genau. Und an das Gepüker, wenn ein Stein noch irgendwo festsaß, und Du ihn unbedingt rausholen wolltest.

Optimist fast bis zum Schluss.

Auf jeden Fall warst Du ein Optimist. Ich glaube, ich habe Dich fast nie wirklich niedergeschlagen gesehen, bis auf wenige Ausnahmen. Und die hatten fast immer mit Ärzten, Diagnosen, angeblichen Freunden oder der Firma zu tun. Davon abgesehen warst Du ein durchweg positiver Mensch – und das fand und finde ich immer noch toll!

Es gäbe noch so unendlich viel mehr zu schreiben. Aber einiges ist dann doch zu privat. Und nur für die Ohren von Lene bestimmt. Oder für meine Erinnerung.

Papi, Du fehlst auch nach 10 Jahren noch.

Auch wenn das vielleicht nicht jeder versteht. Aber es gibt einfach so viele Situationen, an denen ich auch heute noch merke, dass Du fehlst. Wenn bei der Hochzeit die Frage aufkommt, wer denn die Braut eigentlich reinführt, zum Beispiel. Davon abgesehen hätte ich Dich an diesem Tag so oder so unglaublich gern dabei gehabt. Oder Dir inzwischen schon zum zweiten Mal die Nachricht überbracht, dass Du Opa wirst. Ich bin mir sicher, Du hättest Dich riesig gefreut.

Abgesehen von solchen Ereignissen, Geburtstagen, Weihnachten und Co. aber auch in ganz alläglichen Situationen. Wenn das Auto mal wieder streikt, ich eine Urlaubscollage von Lene an die Oma-Opa-Whatsapp-Gruppe schicke, sehe, wie die Motte strahlt, wenn der andere Opa zu Besuch kommt – oder wenn jemand das gleiche Joop-Dufti benutzt wie Du, und ich sofort einen Erinnerungs-Flash bekomme.

Tröstliche Erinnerungen.

Aber es stimmt: Mit der Zeit wird es besser. Oder eben anders, wie schon geschrieben. Und auch ein bisschen tröstlich finde ich den Gedanken, dass es so unglaublich viel Erinnerungen gibt. Auf Fotos und in meinem Kopf. Denn wie heißt es so schön: "Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nur weit weg." Und wo Du bist, das wissen wir ja: Schließlich wurde nicht umsonst ein neuer Superstern entdeckt, als Du gegangen bist 🙂

 

 

 

Veröffentlicht am Kategorien Dies und DasSchlagwörter , ,

Über Wiebke

In aller Kürze: Als Zweifach-Mama mag ich lieber Fußball statt Ballett, Bier statt Prosecco, Sneakers statt High Heels, Tarantino statt Titanic [obwohl so eine schöne Schnulze natürlich manchmal auch einfach sein muss :)], und ich hasse es, Schuhe zu kaufen. Davon abgesehen hänge ich an Hamburg, bin gern am Hafen, bei Konzerten im Stadtpark oder zum Mitfiebern im Volkspark – und all das am liebsten mit Kamera im Gepäck.