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Liebe Oma.

oma schaut geschenk anSeit 10 Jahren bist Du jetzt schon nicht mehr bei uns. Zehn Jahre, die mir vorkommen wie eine Ewigkeit. Weil einfach so unglaublich viel passiert ist. Trotzdem denke ich noch oft an Dich und Opa. Weil Du einfach eine Oma warst, wie man sich eben eine typische Oma vorstellt. Und wie man sich als Kind keine bessere wünschen könnte.

Ich habe oft bei Euch übernachtet, und ich habe es immer geliebt. Das Brot mit Quark und Zucker zum Abendbrot, das gemütliche Sofa mit den Stofftieren auf der Lehne, das Zusammen-Fernsehen, mein Bett, das quer an Eurem Fußende stand.

Oma im Schaukelstuhl - daran muss ich oft denken

Während Opa beim Fußball vom Sessel aus Tore geschossen und beim Männerchor mitgesungen hat, hast Du in Deinem Schaukelstuhl gesessen, gestrickt (die Puppen und Kissen liegen glaube ich noch in einem Karton) oder Kreuzworträtsel gelöst. Ich weiß nicht, wie viele Karten Du weggeschickt hast, aber ich kann mich erinnern, wie aufgeregt Du einmal warst, als Du "einen Koffer voller Geld" gewonnen hast. Und wie sauer, als dann ein minikleines Köfferlein mit ein paar Pfennigstücken darin ankam.

Und ich weiß noch genau, wie Du hochmotiviert und mit einer Engelsgeduld versucht hast, mir das Stricken beizubringen - und wir beide nach zwei Stunden leicht desillusioniert beschlossen haben, dass ich mir wohl doch lieber ein anderes Hobby suche. 

Die Familie war immer das wichtigste

Einmal hast Du etwas mehr im Lotto gewonnen. Und das erste, was Du gemacht hast: allen etwas abgegeben. Denn die Familie war für Dich das wichtigste überhaupt. Und Du hast Dich am meisten gefreut, wenn Du jemandem von uns eine Freude machen konntest. Das haben wir auch an Geburtstagen, Weihnachten und zu allen anderen Anlässen gemerkt. Du hast Dir immer viele Gedanken gemacht, was wem gefallen könnte. Und statt uns eine fertige Tüte Ostereier zu kaufen, wurde alles liebevoll und gerecht auf verschiedene Tüten aufgeteilt.

Der Zusammenhalt war Dir immer sehr wichtig, genau wie die Familienfeiern.
An Weihnachten bist Du mit Opa und Werner (später dann nur noch mit Werner) immer erst zu uns gekommen und dann zu Gudrun weitergefahren, weil Du alle Kinder an Heiligabend sehen wolltest. Ich fand das immer schön, und das finde ich heute noch.

Opas Tod war für Dich ein Schock

Ich weiß, wie froh Mami immer war, dass Du und Opa sie so gut aufgenommen haben, als sie nach Reinbek kam. Sie hat sich bei euch direkt willkommen und zuhause gefühlt - das hat sie mir bis zum Schluss immer wieder erzählt.

Als Opa gestorben ist, kam das für uns alle sehr plötzlich. Aber für Dich muss es ein riesiger Schock gewesen sein. Eben war er noch im Keller und hat geschnitzt, und ein paar Stunden später ist er nicht mehr da. Ich erinnere mich, dass wir einige Tage später zusammen in der Stadt einkaufen waren - und Du bei jeder Sirene erschrocken zusammengezuckt bist. Du hast Dich in der Zeit danach aber tapfer geschlagen, und ich mag mir bis heute nicht vorstellen, wie schlimm es sein muss, plötzlich allein in dem Haus zu sein, in dem man so lange zusammen gewohnt hat. Und in dem einen nicht nur der Bastelkeller ständig an den anderen erinnert.

Irgendwann haben wir Dich mehr oder weniger dazu überredet, zwei Katzen bei Dir aufzunehmen. Und weil Du genaus wie der Rest der Familie sehr tierlieb warst, hast Du Dich irgendwann breitschlagen lassen. Sehr schnell gehörten die Stubentiger zur Familie, und ich muss heute noch etwas lachen bei dem Gedanken an Deine Verwunderung, dass Mickey plötzlich kein Katzenfutter mehr mochte - nachdem sie Mortadella und Tartar bekommen hatte.

Wir haben zusammen um Papi geweint

Neben all den schönen Erinnerungen gab es auch sehr traurige Momente. Als nach Papis Trauerfeier alle anderen im Garten waren, saßen wir drinnen auf einem Sessel und haben zusammen geweint - Du um Deinen jünsten Sohn, ich um meinen Papi. Und erst jetzt, nachdem ich selbst Kinder habe, kann ich mir annähernd vorstellen, wie schlimm es sein muss, wenn das Kind vor einem geht.

Und wenn ich gerade beim Thema Kind bin: Natürlich hätte ich Dir sehr gern deine beiden Urenkel vorgestellt. Die anderen 3 hast Du zum Glück ja noch kennengelernt, aber unsere 2 werden ihre Uroma irgendwann nur von Fotos kennen. Und aus meinen Geschichten, die ich ihnen erzählen werde, wenn sie etwas größer sind. Dann können wir zusammen meine Fotoalben durchblättern, und ich kann den beiden so viel zeigen.

Oma, wir vergessen Dich nie!

Meine letzte Erinnerung an Dich ist aus dem Krankenhaus. Mami und ich haben Dich abends besucht, aber Du hast beinahe keine Regung gezeigt. Als ich gegangen bin, habe ich Dir einen Kuss auf die Wange gegeben und gesagt "Mach's gut" - und in dem Moment ist plötzlich eine Träne über Deine Wange gelaufen. Das war das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben - und vermutlich hast Du das genau gewusst.

Liebe Oma, auch wenn das alles jetzt schon 10 Jahre her ist, denke ich noch oft an Dich. Ich glaube eigentlich nicht, dass nach dem Tod noch etwas kommt. Aber ich hoffe so sehr, dass ich mich irre - und wir uns alle irgendwann wiedersehen.

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Über Wiebke

In aller Kürze: Als Zweifach-Mama mag ich lieber Fußball statt Ballett, Bier statt Prosecco, Sneakers statt High Heels, Tarantino statt Titanic [obwohl so eine schöne Schnulze natürlich manchmal auch einfach sein muss :)], und ich hasse es, Schuhe zu kaufen. Davon abgesehen hänge ich an Hamburg, bin gern am Hafen, bei Konzerten im Stadtpark oder zum Mitfiebern im Volkspark – und all das am liebsten mit Kamera im Gepäck.